Unterwegs mit dem Hilfswerk Bär und Leu in der Ukraine – Frühjahr 2025
Unsere Delegation – bestehend aus Urs Bischler, Rolf Blickle, Michel Quarroz und Beat
Hutmacher – reiste im Frühjahr 2025 in die Westkraine. Die Route führte über Košice
(Slowakei) nach Chop, Uschgorod, Skhidnytsia, Drohobych, Bar, Lwiw, Kiew und Rivne
über Krakau (Polen) zurück in die Schweiz. Ziel war es, unsere langjährigen Partner zu
besuchen, neue Eindrücke zu gewinnen und die Bedeutung direkter, menschlicher
Beziehungen in Zeiten des Krieges zu unterstreichen.
Persönliche Nähe als Fundament
Das Hilfswerk Bär und Leu wurde auf der Basis persönlicher Kontakte vor über 24 Jahren
gegründet. In dieser Tradition stehen wir bis heute. Unsere Arbeit lebt von Vertrauen,
Verlässlichkeit und dem langfristigen Aufbau von Beziehungen. Gerade in Zeiten der
Unsicherheit sind diese gewachsenen Verbindungen ein entscheidender Faktor für sinnvolle, wirksame Hilfe. Deshalb war es uns wichtig, unsere Partner nicht nur zu unterstützen, sondern sie persönlich zu besuchen – als Zeichen der Wertschätzung, des Respekts und der Solidarität.
Wir besuchten zahlreiche medizinische und soziale Institutionen: Spitäler, Ambulatorien,
psychiatrische Kliniken, Schulen, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen sowie die wichtigen Verteilzentren unserer Hilfsgüter. Die Arbeit, die dort geleistet wird, ist
beeindruckend. Viele der Fachpersonen sind selbst belastet durch familiäre Verluste oder
eigene Fluchterfahrungen – und leisten dennoch mit bemerkenswerter Professionalität ihren Dienst.
Reisealltag in einem Land im Krieg
Trotz der andauernden kriegerischen Lage verlief das Reisen innerhalb der Ukraine
überraschend reibungslos. Die Infrastruktur funktionierte weitgehend, Unterkünfte waren
offen, Verkehrsmittel gut nutzbar. Gleichzeitig blieb die Realität des Krieges stets
spürbar: Fast täglich ertönten Luftalarme, die an die ständige Bedrohung erinnerten. Nach
sorgfältiger Abwägung entschieden wir uns, während solcher Warnungen im Hotelzimmer zu bleiben – eine Vorgehensweise, die auch viele Einheimische für sich gewählt haben. Der
Kontrast zwischen einer funktionierenden Umgebung und den vielen traurigen Schicksalen der Bevölkerung prägte unser Erleben.
Zerstörung und Wiederaufbau
In der Umgebung von Kiew besuchten wir Orte, die in den ersten Monaten der Invasion
schwer umkämpft und massiv zerstört wurden – unter anderem Irpin, Butscha und
Moschun. Dort waren die Spuren der Gewalt unübersehbar: zerschossene Wohnblocks,
ausgebrannte Fahrzeuge, zerstörte Brücken. Zugleich war aber auch der Wiederaufbau
sichtbar: Es wird gebaut, gesäubert, repariert. Menschen kehren zurück, Kinder spielen
wieder auf den Höfen, Schulen öffnen ihre Türen.
Ein besonders eindrückliches Erlebnis hatten wir in einem eilig eingerichteten Museum.
Dort wurden mit Hilfe von 3D-Animationen die Zerstörung und das Ausmass der Kämpfe
visualisiert. Sie zeigten zerstörte Häuser, Rauch, Feuer, militärische Einschläge – eine
ergreifende Form der Erinnerung und gleichzeitig ein klares Zeichen der Aufarbeitung und
Warnung. Dieses Engagement für dokumentarische Aufklärung ist ebenso Teil des
Wiederaufbaus wie der Zement in den neuen Mauern.
Der Wille zur Normalität
Was uns in fast allen Begegnungen tief beeindruckte, war der Wille der Menschen, sich eine Form von Normalität zu bewahren. Schulen funktionieren, der öffentliche Verkehr fährt, Geschäfte sind geöffnet, Kinder lernen, Familien leben ihren Alltag weiter – trotz Bedrohung, trotz Verlusten.
Fast jede Familie ist vom Krieg betroffen – sei es durch einen gefallenen Angehörigen, durch die Flucht aus dem Osten oder durch die psychische Belastung des ständigen
Ausnahmezustands. Und trotzdem: Die Menschen bleiben aktiv, übernehmen Verantwortung, engagieren sich freiwillig, helfen einander.
Diese gelebte Resilienz war für uns vielleicht die stärkste Erfahrung dieser Reise. Sie hat
nichts mit Verdrängung zu tun – sondern mit Mut, Pragmatismus und einem tiefen Bedürfnis, das Leben zu schützen und weiterzuführen.
Unsere Verantwortung als Partner
Unsere Reise war geprägt von Dankbarkeit, Respekt – und der Erkenntnis, wie
wichtig langfristige Unterstützung und partnerschaftliche Zusammenarbeit sind. Die
Hilfe, die wir leisten, ist mehr als nur materielle Unterstützung: Sie ist ein Zeichen des
Glaubens an die Menschen vor Ort, ein Bekenntnis zur Hoffnung und ein Aufruf, sich auch in dunklen Zeiten nicht von der Verzweiflung überwältigen zu lassen. Unsere Verantwortung als internationale Partner ist es, auch weiterhin diesen Weg zu gehen und inmitten der Tragödie, die sich in der Ukraine abspielt, einen kleinen Beitrag zur Aufrechterhaltung des menschlichen Zusammenhalts zu leisten.
Bär und Leu, Frühjahr 2025
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